Als die Frauen springen lernten

Kleinwalsertaler Trainer Willy Schuster sieht Pionierarbeit belohnt
Wenn am kommenden Wochenende der Damenweltcup im Skispringen in der Oberstdorfer Erdinger Arena zu Gast ist, freut sich einer ganz besonders. Willy Schuster, 35 Jahre lang Skisprungtrainer im Kleinwalsertal und einige Zeit auch im Land Vorarlberg, ist ein Pionier, der sich schon früh für die Mädchen in diesem Sport stark gemacht hat. Schon Mitte der 1980er Jahre hatte der heute 79-Jährige zwei Mädchen in seinem Nachwuchs-Sprungteam. Allen, die sich darüber damals gewundert haben mögen, erklärte er, dass er sich immer wieder fragte, warum man die Frauen beim Skispringen nicht ernster nehme. In allen anderen Sportarten waren die Frauen längst durchgestartet, als es im mitteleuropäischen Skisprunglager immer noch hieß, sie seien vom Körperbau her dafür nicht geeignet. „Für mich dagegen war nie eine Frage, dass auch Frauen das Skispringen lernen können“, erzählt der Vater des deutschen Nationaltrainers Werner Schuster. In den 90er Jahren waren einige Vereine zwar bereit, die Mädchen mitmachen zu lassen, gewertet wurden sie jedoch immer in der Bubenklasse. Um die Jahrtausendwende sei aber Bewegung in die Sache gekommen. „Im Kleinwalsertal, in Isny, in Buchenberg, überall gab es Mädchen, die sich mutig die Schanzen hinuntertrauten“, berichtet Schuster. Rudi Tusch, der damalige technische Leiter/Nordisch beim DSV, und der Sportwart nordisch Detlev Braun erkannten das Potenzial durchaus und Tusch fragte Schuster 1999, ob er nicht die deutschen Mädchen betreuen wolle.
Der Kleinwalstertaler willigte ein und wähnte sich bereits auf der Erfolgsspur, als er vorschlug, für die Deutsche Meisterschaft, die im Jahr 2000 in Oberstdorf stattfand, einen eigenen Damenwettkampf auf der 50-Meter Schanze auszutragen. Vom DSV-Vize-Präsidenten Heinz Billino jedoch kam eine deutliche Ansage: „Wenn die Damen mitmachen wollen, dann sollen sie von der Normalschanze springen“. An dieser Einstellung mochte auch der Schustersche Einwand nichts ändern, dass ja auch Martina Ertl und Hermann Mair nicht in einem gemeinsamen Rennen die Streif hinunterrasen.
Doch rundum tat sich viel. 1998 fand in St. Moritz erstmals ein Wettkampf in einer eigenen Damenklasse statt. „Eine Finnin gewann damals und die Deutsche Michaela Schmid wurde Dritte“, erinnert sich Schuster. Deren Vater Hans-Georg, damals Bürgermeister der Schwarzwald-Gemeinde Schönwald, organisierte im Nachgang in Eigeninitiative den Ladies-Grand-Prix, eine Art Vierschanzentournee für Mädchen. Zu den wechselnden Austragungsorten zählten Braunlage, Rastbüchl, Baiersbronn Ramsau, das österreichische Saalfelden und Meinerzhagen. Namen wie Ann-Kathrin Reger als zweimalige Siegerin oder das Eigengewächs Heidi Roth, die in Buchenberg lebte, aber für den SV Casino Kleinwalsertal startete, tauchen aus der Erinnerung auf. „Schöne Zeiten mit Erfolgen, die uns einen großen Schritt nach vorn brachten“, urteilt Schuster, denn danach habe es auf DSV-Seite viel größere Unterstützung für den Damenskisprung gegeben.
2001 traf Willi Schuster auf seinen Sohn Werner, der seinerzeit am Schigymnasium Stams die Nachwuchsspringer und damit ganz selbstverständlich immer auch die Austria-Mädchen trainierte „Damals war schon Daniela Iraschko aus Österreich ganz stark dabei und auch die Norwegerin Anette Sagen machte von sich Reden“, erinnert sich Schuster. Und noch ein Mädchen fiel ihm auf: Ulrike Gräßler, die in Meinerzhagen ihren ersten Wettkampf bestritt und anschließend zu den erfolgreichsten deutschen Skispringerinnen gehörte.
Bis 2002 trainierte der Pionier die deutschen Frauen, danach übergab er das Amt an Daniel Vogler. Seither ist es mit Riesenschritte vorwärts gegangen. Inzwischen sei alles perfekt organisiert, in A- , B- und C-Kader aufgeteilt wie bei den Männern und sportlich wie medizinisch würden die Mädchen bestens betreut. Die Frauen tragen Continentalcups und Weltcupspringen aus und seit Sotchi ist Damenskispringen olympisch. Die Goldmedaille für Carina Vogt unter dem Nationaltrainer Andi Bauer in Sotchi, das war für den Pionier Willy Schuster eine große Genugtuung: „Sie können es eben doch“.
Text + Bild: Elke Wiartalla